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Koalitionsvertrag vs. neue Natodoktrin

07. Dez 1999

NATO-Strategie ab 1999

Herrn
Bundesaußenminister Joschka Fischer
Adenauerallee 99-103

53001 Bonn

7. Dezember 1998 ga/gs
AZ: 1.5.3 (08/G7)

Sehr geehrter Herr Minister,

dem Vernehmen nach sollen auf der Tagung des NATO-Rates im Dezember 1998 wichtige Vorentscheidungen für eine neue NATO-Strategie ab 1999 getroffen werden. Wesentliches Element dieser neuen Strategie soll die Befugnis der NATO sein, weltweite militärische Einsätze künftig auch ohne UN-Mandat durchführen zu können. Damit würden die Festlegungen des geltenden NATO-Vertrages verlassen, wonach die NATO ein kollektives Verteidigungsbündnis im Sinne von Art. 51 UN-Charta ist. Außerdem will die NATO an ihrer erklärten Bereitschaft zum Ersteinsatz von Atomwaffen ("First use") trotz der seit 1990 grundlegend veränderten Sicherheitslage ausdrücklich festhalten. Sie droht den Atomwaffeneinsatz darüber hinaus auch sogenannten "Schurkenstaaten" zum Zweck der "Terrorismus-Abwehr" an.

Pax Christi fragt Sie, sehr geehrter Herr Minister, als verantwortliches Mitglied der neuen Bundesregierung, wie Sie diese Elemente einer neuen NATO-Strategie mit den Zielen der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 zur Außen- und Sicherheitspolitik in Einklang bringen wollen: Vollständige Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen und Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen. Außerdem bittet Pax Christi um Auskunft, wie Sie die politische Notwendigkeit einer Stärkung der UN und des internationalen Rechts glaubhaft verfolgen wollen, wenn Sie der NATO an den UN vorbei eine Möglichkeit des militärischen Eingreifens verschaffen, die nicht mehr durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrates, sondern nur noch durch die politische und wirtschaftliche Interessenlage der NATO-Mitglieder legitimiert ist.

Pax Christi hält eine breite öffentliche Diskussion über diese Fragen für dringend erforderlich und bittet Sie, sich dazu zu äußern. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik steht nach unserer Überzeugung vor einer wichtigen Richtungsentscheidung. Es geht dabei um die Frage, ob die Geltung und Stärkung des internationalen Rechts weiterhin Vorrang vor dem Recht des Stärkeren behalten soll. Für Pax Christi und für viele besorgte Bürgerinnen und Bürger in unserem Land besteht der dringende Wunsch, daß die neue Bundesregierung vor dieser Frage den erklärten Zielen des Koalitionsvertrages folgt.

Mit freundlichen Grüßen

(Joachim Garstecki, Generalsekretär)


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Ein Brief mit gleichem Wortlaut ging am 7. Dezember 1998 außerdem an den Bundesverteidigungsminister, Rudolf Scharping.